DER FOTZHOBEL

Vergangenheit und Zukunft

'Spiel mir das Lied vom Tod' und 'Heart of Gold' waren in meiner Kindheit meine Mundharmonika-Lieblingsstücke und ich übte verbissen, um auf meiner Harp etwas Ähnliches zustande zu bringen. Doch es klang immer bestenfalls nach 'Hänschen klein' und so gab ich irgendwann auf selbst zu spielen und verlegte mich aufs Hören. Ich entdeckte Sonny Boy Williamson, Little Walter und Toots Thielemans und war beeindruckt wie viel Gestaltungsmöglichkeiten dieses kleine unscheinbare Instrument bot.

Amerikanische Musikgenres wie Blues, Country Music und Jazz waren für mich die typischen Stile in denen die Mundharmonika Verwendung findet und Hohner war die Marke, die für mich fix mit diesem Instrument verbunden war. So war ich einigermaßen überrascht, als ich entdeckte, dass Wien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 'das' Mundharmonika-Zentrum war. 1847 wurde dann im deutschen Klingenthal von der Firma Seydel eine Mundharmonikafabrik gebaut (diese war zwar nicht die erste, ist aber die älteste bis heute erhaltene Mundharmonikafabrik der Welt) . Erst 10 Jahre später begann Hohner mit seiner ersten Kleinstproduktion, die sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Massenproduktion entwickelte. Lange Zeit gehörten Hohner und Seydel zu den wichtigsten Marken auf dem Mundharmonika-Markt.

Das sollte sich schlagartig ändern, als Klingenthal plötzlich in der DDR lag und alle wirtschaftlichen Verbindungen zum Westen gekappt wurden. Plan- und Misswirtschaft spülten die Firma Seydel vom Markt, nicht aber aus dem Gedächtnis der Mundharmonika-Liebhaber. So geschah es, dass Jahre nach der Wiedervereinigung sich die Wege von zwei Österreichern in Klingenthal kreuzten.

Der Bluesmusiker Stephan Rausch traf auf die Klassik- und Jazzmusikerin Isabella Krapf. Am 8. Juni 2004 traf ich die beiden bei einem Konzert von Stephan Rauschs 'Real Hot Stovepipes' im Rahmen der von Isabella Krapf zusammengestellten Ausstellung 'Die Mundharmonika in Wien und anderswo' im Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum' in Wien.

Der 1971 geborene Stephan Rausch erzählt über seinen ersten Kontakt zur Mundharmonika:

"Es war ein Instrument von meinem Großvater da auf dem ich begonnen habe. Die Vorteile: Es war ein billiges, transportables Instrument, es gab keine Lehrer, bei denen man Unterricht nehmen musste und es bot für mich die Möglichkeit etwas Neues, Eigenständiges zu machen. Als ich begann kannte ich keine Mundharmonika-Spieler. Erst später lernte ich Leute wie Christian Dozzler, Christian Sandera und Erich Metzenbauer kennen. Bald danach tauchte auch Gerald Lülik auf. Von ihm hab ich mir ein paar Tipps geholt. Das meiste hab ich mir allerdings von Platten heruntergehört."

Womit wir gleich bei den Vorbildern wären.

"Vorbilder gab's natürlich, Sonny Boy Williamson, Walter Horton, Little Walter, Paul Butterfield oder Junior Wells, aber es waren nur Vorbilder keine Idole. Ich geh davon aus, wenn man Musik nachspielen will, die von dort-und-dort kommt, muss man sich mit den Quellen auseinandersetzen, um nachvollziehen zu können warum sich diese Musik so-und-so entwickelt hat. Wenn aber alle die gleichen Einflüsse haben und die gleichen Platten hören, werden alle das gleiche spielen, egal ob sie aus Australien, Sri Lanka oder aus Wien kommen. Deshalb hab ich immer wieder versucht etwas Neues, Unübliches auszuprobieren."

Gegenwart und Zukunft?:

"Ich hab eine neue Band ins Leben gerufen, 'The Real Hot Stovepipes' mit Hermann Posch an der Gitarre, Martin Genahl am Bass und Reinhard Schwarzinger am Schlagzeug, mit denen ich im Gegensatz zu meinen bisherigen Projekten, die immer nur für einen Auftritt zusammengestellt wurden, länger zusammen arbeiten und einen eigenen Stil entwickeln, eigene Nummern schreiben möchte.

Außerdem versuch ich den Internet Radiosender 'Bluestrain Austria' wieder zu beleben, vor allem, um auch österreichische Produktionen zu präsentieren."

Wie kam es zum Kontakt mit Isabella Krapf?

"Das hat sich über Klingenthal ergeben. Ich hab mir die Mundharmonikawerkstatt angeschaut, hab mit dem Techniker dort gesprochen und hab mir eine Sonderanfertigung machen lassen. In Klingenthal hat man mir dann von Isabella Krapf erzählt, die mit der Firma Seydel jetzt zusammenarbeitet und da hab ich sie angerufen."

 

Die 1977 geborene Isabella Krapf bekam mit 8 Jahren ihre erste diatonische Mundharmonika und war sofort von dem Instrument begeistert. Nach einer kurzen Enttäuschung, weil man den 'Donauwalzer darauf nicht richtig spielen konnte erhielt sie zu ihrem 10. Geburtstag ein chromatisches Modell.

Trotz Klavier-, Trompete-, Gesangs- und Schlagwerkstunden erkor sie die chromatische Mundharmonika zu ihrem Hauptinstrument.

"Ich hab schließlich mein Hobby zum Beruf gemacht, gebe Konzerte, unterrichte und schreibe für drei Magazine und betreibe Forschung (u.a. für den amerikanischen 'Harmonica Educator'). Der Großteil, der hier ausgestellten Exponate ist aus meinem Privatbesitz."

Im Unterschied zu einer größeren Gruppe von Bluesharpspielern in Österreich sind die chromatischen Vertreter eher spärlich gesät.

"Es gibt Richard Österreicher, Bertl Mayer, Franz Chmel, Walter Buchinger, insgesamt vielleicht 5-6 aktive Chromatik-Spieler. Ich komm aus der Klassikrichtung und hab mich erst später mit Jazz beschäftigt. Heute bin ich in beiden Bereichen unterwegs. Ich hab ein Jazz-Trio ('Harmonica Beat') mit Marimba und Vibraphon und ein Jazz-Quartett ('The Syncopated Clock Quartett'). Ich spiele klassische Stücke mit einem Streichorchester und im Duett mit der Harfinistin Julia Reth. Und außerdem trete ich mit einem Folk-Blues-Rock-Programm mit Pepo Meia auf. Insgesamt komm ich auf ungefähr 60 Konzerte pro Jahr."

Ganz schön dichtes Programm. Wie kam's aber zur Zusammenarbeit mit der ostdeutschen Firma Seydel?

"Ich hab in meiner Sammlung chromatische Mundharmonikas aus Klingenthal, die vor dem Krieg (II. Weltkrieg) erzeugt wurden. Die sind so super gemacht, dass sie auch heute noch tadellos funktionieren. Irgendwann wollte ich mir die Fabrik einmal anschauen und hab gesehen mit welchen Problemen die Firma kämpfen musste. Nach der Wiedervereinigung wurden die zwangsverstaatlichten Betriebe an die Erben der ursprünglichen Besitzer zurückgegeben, die aber oft kein Interesse daran hatten, oder versuchten möglichst viel Geld zu nehmen und so die Firmen herunterwirtschafteten. Seydel hatte auch im Marketingbereich überhaupt keine Ahnung. Ich wusste, dass ihre Instrumente weltweit gesucht wurden, doch die Firma hatte ihre Webseite nur auf Deutsch, weil keiner Englisch sprechen konnte.

Ich wollte versuchen Seydel wieder auf den Markt zu bringen, gründete eine eigene Firma und beauftragte die Fabrik in Klingenthal mit der Produktion von 1000 Stück der legendären Boomerang-Harmonika, die es schon einmal gegeben hatte und mittlerweile zum begehrten Sammlerstück avanciert war.

Ich vermarkte die Boomerang über eine Homepage, auf der man auch gleich bestellen kann und obwohl die Instrumente noch gar zu haben sind – das wird noch ca. zwei Monate dauern – hab ich jetzt schon Bestellungen aus Australien, Amerika, Hongkong und Südafrika."

Ziele für die Zukunft?

"Also, ich will versuchen die chromatische Mundharmonika als ernstzunehmendes Instrument wieder zurück ins Rampenlicht zu bringen. Die steigende Nachfrage zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin." Tommy Tatzber